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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Klassische Naturwissenschaft und holographisches Universum

 

Psychedelische Erlebnisse, wie Grof sie beschreibt, stehen nicht im Widerspruch zur Naturwissenschaft, sondern lediglich zur Nüchternheit des Alltagsbewußtseins und zu einem mechanistischen Modell, das aus dem 17. Jahrhundert stammt. Viel eher sind solche Erfahrungen integrierbar in beispielsweise den buddhistischen Wiedergeburtsgedanken, denn hier ist es - auf einer sehr hohen Stufe der Vollendung - möglich, sich an seine Präexistenzen zu erinnern.

Wie Bohm begreift Grof die klassische Betrachtungsweise, die auf den Postulaten des newtonisch-cartesianischen Weltbilds beruht, nicht mehr als eine exakte Beschreibung der Realität, sondern als ein sinnvolles Modell, mit dem sich Phänomene und Prozesse im Bereich mittlerer Dimensionen beschreiben lassen. Das klassische Modell ist ungeeignet, kosmologische oder ontologische Fragen zu beantworten, wie sie gerade von einer Kunst aufgeworfen werden, die so deutlich wie die Boissonnets auf die Grenzen jener Modelle und ihrer Repräsentationsformen weist.

Die philosophischen Implikationen der Neuen Physik führen zu einem Modell des Universums, das Übereinstimmungen mit Beobachtungen aus der LSD-Forschung zeigt. Grof meint, die holonomische Theorie David Bohms und Karl Pribams, die ihre historischen Vorgänger in der indischen Philosophie und der Monadologie Leibniz' habe, böte eine elegante Möglichkeit, scheinbar widersprüchliche Vorstellungen in ein einziges, umfassendes Modell zu integrieren. Zugleich bilde diese Theorie eine wichtige Brücke, die Physik, transpersonale Psychologie und Neurophysiologie miteinander verbinden könne. So wie Hologramme nicht mit den Axiomen der geometrischen Optik allein verstanden werden können - und so wie Kunstrezeption sich nicht im Herausdestillieren von Begrifflichkeiten erschöpft - kann man psychedelische Phänomene nicht verstehen, wenn man die Neurophysiologie des Gehirns als computeranaloges Rechenzentrum begreift, dessen Erinnerungsspeicherung allein auf materiellen Prozessen beruht.

Grof faßt die Ähnlichkeiten zwischen holographischen Verfahren und der Phänomenologie des Bewußtseins nicht wörtlich auf, sondern er sieht in ihnen - ähnlich wie Bohm - lediglich zweckmäßige Analogien. Andere Wissenschaftler sind weniger vorsichtig. So meint der Neurobiologe Ignacio E. Ochoa Pacheco, das holographische Modell des Gehirns beschreibe im Grunde das bioelektrische Energiefeld 'Orgon' des Psychoanalytikers Wilhelm Reich.1 Der Physiker Michael Talbot nimmt das Vorhandensein paranormaler Phänomenen geradezu als Indiz für die Stichhaltigkeit des holographischen Modells. Pribam, so Talbot, glaube, daß Mystiker während ihrer transzendentalen Erlebnisse nichts anderes tun, als den Frequenzbereich zu erspüren. Die Aura, das menschliche Energiefeld, beschreibt Talbot als ein Phänomen, das offenbar die Fähigkeit, die Frequenzaspekte der Wirklichkeit wahrzunehmen, zur Voraussetzung hat.2 Manche beschreiben dieses Energiefeld als aus getrennten Schichten bestehend. Diese Schichten sollen dreidimensionale Energiekörper sein. Talbot bezeugt, daß er fähig sei, das menschliche Energiefeld als einen deutlichen Lichtschleier wahrzunehmen.3

Talbot beruft sich bei der Beschreibung der Wahrnehmungen von Auren auf Pribams Frequenzfelder und auf Bohm, der glaube, daß es auf der Subquantumebene jenseits des Atoms feine Energien gebe, die der Wissenschaft noch unbekannt seien. Doch Bohm behauptet nicht, daß das menschliche Energiefeld existiert. Ihm geht es nicht um den positivistischen Beweis paranormaler Phänomene, sondern vielmehr um eine Wandlung des Denkens und um eine veränderte Wahrnehmung der Wirklichkeit - auch und vor allem der alltäglichen.


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1 Ochoa Pacheco, 1996.

2 "Die Erkenntnis, daß der menschliche Körper von einem subtilen Energiefeld, einer heiligenscheinähnlichen Lichthülle, umgeben ist, die gleich hinter den Grenzen des menschlichen Wahrnehmungsbereichs existiert, finden sich in vielen alten Überlieferungen. In heiligen Schriften Indiens, die vor mehr als 5000 Jahren entstanden, wird diese Lebensenergie als Prana bezeichnet. In China wird sie seit dem 3. Vorchristlichen Jahrtausend Ch'i genannt und als die Energie aufgefaßt, die das Akupunktur-Meridiansystem durchströmt, Die Kabbala nennt dieses Lebensprinzip nefish und lehrt, daß eine irisierende eiförmige Blase jeden menschlichen Körper umhüllt." (Talbot, 1992, S. 179.)

3 Heute wird versucht, die Existenz des menschlichen Energiefeldes experimentell nachzuweisen. Daß der Mensch ein elektromagnetisches Wesen ist, ist in der medizinischen Wissenschaft seit langem bekannt. Elektrokardiographen werden benutzt, um Aufzeichnungen der elektrischen Herztätigkeit zu machen, und Elektroenzephalographen zeichnen die elektrische Hirntätigkeit auf. Ein Elektromyograph, der zur Messung elektrischer Muskeltätigkeit dient, kann nach Auffassung der Physiotherapeutin Valerie Hunt auch die Aktionsströme des menschlichen Energiefeldes erfassen (Vgl. Talbot, 1992, S. 188ff).


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